Neuerscheinung !
Christoph Dalberg
Reisen und Erinnern
„Das Summen des Motors ist beruhigend, ist gleichmäßig und unaufgeregt. Es ist wie Urlaub, Zeit zum Entspannen, es ist wie die Fahrt ins Ungewisse.“
Nach einer Lebenszeit, die der Autor zu gleichen Teilen in der ehemaligen DDR und in einem weitestgehend freien Europa verbrachte, ist diese Fahrt im Wohnmobil interessant genug, sie in den Spannungsbogen zu seinem früheren Leben zu setzen. Bisweilen mit einer Prise Humor wird in flüssigen Dialogen mit seiner Frau die Vergangenheit beleuchtet und werden neue und minimalistische Ziele erkannt. Mauern, real oder in den Köpfen, können überwunden werden.
Das Buch kann ab sofort direkt im united p. c.-Verlag bestellt werden. Dazu bitte auf das Buch klicken, dann gibt es den Link zum Verlag. Demnächst auch bei Amazon möglich und als E-Book, in den Buchhandlungen unter der ISBN-Nummer: 978-3-7103
(Über ein Feedback freue ich mich, Anfragen für Lesungen stehe ich offen gegenüber, freue mich auch, wenn dieses Buch weiterempfohlen wird, weil ich denke, dass es tatsächlich noch Aspekte deutsch-deutscher Geschichte beleuchten kann, die nicht allen bekannt sind.)
Leseprobe:
Kapitel 16
Warten auf die Freiheit
1968, DDR, ein kleiner Ort bei Potsdam
Ich habe eine Tante, Tante Berta. Eigentlich ist sie meine Großtante. Besser, ich hatte eine Großtante, denn sie ist schon viele Jahre tot.
Sehr getrauert habe ich nicht, denn ich kannte sie kaum. Mit dieser Tante war ich vor allem zu meiner Jugendzeit mittels Postkarten aus aller Welt, die sie mir zuschickte, verbunden.
Man stelle sich vor: Graue Zeit in der DDR und dann die Postkarten von den schönsten Orten der freien Welt. Prachtvolle, farbige Postkarten!
Tante Berta lebte in Westberlin und startete von dort ihre Reisen um die Welt. Zuletzt hatte ich bestimmt fast fünfzig Postkarten aus aller Welt erhalten. Ich erwarb mir bei meinen Freunden damit einige Hochachtung, Staunen, ja sogar Neid.
Doch das Einheitsgrau der DDR erschien mir dadurch immer grauer. Meine wilden jugendlichen Fantasien wanderten mit diesen Postkarten in die Karibik, nach Amerika zur Freiheitsstatue, zu den Niagarafällen und zu Orten, deren Namen ich nicht einmal aussprechen konnte.
... Eines Tages bekam ich eine Karte mit dem Bild der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aus Westberlin. Der Bau hat mich fasziniert. Ich malte mir aus, wie das Sonnenlicht durch diese herrlichen blauen Fenster dringt und wie der Innenraum in dieser Beleuchtung aussehen könnte.
... Bei einer musikalischen Andacht mit meinem Chor mehr als drei Jahrzehnte später sah ich dann dieses Sonnenlicht durch die blauen Fenster und musste an die Postkarte meiner Tante Berta denken.
Noch heute verbinde ich dieses Blau mit dem Blau des Mittelmeers und dem Gefühl von unbegrenzter Weite und Freiheit. Tante Berta öffnete mir mit ihren Postkarten viele Fenster und jetzt konnte ich endlich ungehindert durch die Türen gehen.
...
Kapitel 19
Umweltsünden
August 1970, DDR, Radtour durch Sachsen, Thüringen und den Harz
...
Es war die Zeit um 1970, als die DDR noch nicht ahnte, dass auch sie eine Umwelt hat, die es zu schützen gilt. Für den Staat DDR war die Umwelt So–was–von–in–Ordnung, dass sich jegliche Kontrolle selbstredend verbot. Und Verbote hatten in der DDR, ihr wisst es sicher, eine längere Tradition. Wozu brauchte man denn da Umweltnormen?
... Ich entsinne mich noch gut an eine Radtour mit zwei Schulfreunden von Potsdam nach Sachsen, Thüringen und den Harz. Wochenlang hatten wir uns auf diese Tour gefreut, uns vorbereitet, geplant und die Räder in einen guten Zustand versetzt.
An E–Bikes war noch lange nicht zu denken und wir hatten nicht einmal eine Gangschaltung. Reine Muskelkraft, aber wir waren im jugendlichen Alter ja hart im Nehmen, schliefen auch unterwegs bei einem Bauern schon mal auf einem Heuboden. Es roch ein klein wenig nach Abenteuer und Freiheit, letzteres war wohl schon damals meine Sehnsucht.
... Wir fahren an der Saale entlang, dem Fluss, an dessen Ufer die hübschen sächsischen Mädchen auf den Bäumen wachsen, so behauptet es jedenfalls der Volksmund.
„Gott gebe, dass sie nie den Mund aufmachen!“, sagen Spötter.
Der Fluss schimmert in utopischen Farben. Quecksilber, Lacke und wer weiß was für Chemikalien lassen den Fluss zäh und äußerst bunt dahinfließen. Mit all seiner Farbenpracht ist der Fluss, wenn man es nicht besser weiß, eine Sehenswürdigkeit, eine Errungenschaft des Sozialismus ist er allemal!
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Kapitel 22
Die wichtigen Dinge des Lebens
Ende November 2019, Spanien, Sevilla
... Wir genießen einen sonnigen Tag und besuchen in Sevilla den Spanischen Platz, unbedingt zu empfehlen.
Eine Gruppe von Musikern mit zwei Tänzern unterhalten das Publikum mit Flamenco. Die Wiege des Flamencos mit dem typischen Klang der Kastagnetten gehört nach Andalusien und natürlich auch nach Sevilla. Wer es sieht und miterlebt, ist beeindruckt von der Vitalität dieser Musik und dem mitreißenden Vortrag der Tänzerinnen und Tänzer. Solche Darbietungen gibt es an vielen Stellen in der Stadt.
„Dass ausgerechnet du von den Tanzdarbietungen so angetan bist, verwundert mich schon“, wundert sich meine Frau.
„Man muss auch jünne künne“, erwidere ich in meinem besten, etwas falschen Kölsch, das mir zur Verfügung steht, „Ich habe ja immer die These vertreten, dass jeder gute Musiker nicht tanzen kann, weil ich nun einmal nicht tanzen kann, aber gern als guter Musiker durchgehen würde. Außerdem erscheint mir das unmotivierte Gehopse auf den Tanzflächen dieser Welt nicht etwas zu sein, an dem ich mich überflüssigerweise auch noch beteiligen sollte.“
„Aber von Flamenco bist du begeistert und würdest auf die Tanzfläche schreiten?“, meine Frau ist belustigt.
„Das möchte niemand von mir erwarten, aber beeindruckt von den Darbietungen des Flamencos kann ich doch sein, oder?“, entgegne ich und hoffe, demnächst nicht einen Gutschein für einen Tanzkurs geschenkt zu bekommen.
...